Essstörungen erkennen und begleiten: Warum Ernährungstherapie mehr ist als nur Essen!
- Ebba Wagner
- vor 5 Tagen
- 3 Min. Lesezeit

In einer Welt, in der Selbstoptimierung Alltag ist, wird der Körper für viele Menschen zur Projektionsfläche für Kontrolle, Leistungsdruck – und Schmerz.
Was mit dem Wunsch nach „gesundem Essen“ beginnt, kann sich leise in eine Essstörung verwandeln. Nicht über Nacht. Aber mit tiefen Folgen.
Essstörungen sind nicht einfach ein Problem mit dem Essen. Sie sind Ausdruck eines inneren Konflikts.
Und genau deshalb braucht es mehr als Kalorien, BMI oder Diätpläne: Es braucht Beziehung, therapeutische Kompetenz – und echte Verbindung zur eigenen Körperwahrnehmung.
Wenn Ernährung zum Symptom wird
Essstörungen wie Anorexia nervosa, Bulimia nervosa oder Binge-Eating-Störung zählen laut der S3-Leitlinie „Diagnostik und Behandlung von Essstörungen“ zu den schwerwiegendsten psychosomatischen Erkrankungen – mit hohen Rückfallquoten und zunehmender Prävalenz (AWMF, 2020).
Dabei sind nicht nur Jugendliche betroffen. Immer häufiger zeigen auch Erwachsene – besonders Frauen – Symptome gestörten Essverhaltens, z. B. restriktive Diäten, Kontrollzwang oder orthorektisches Verhalten (Zipfel et al., 2022).
Was all diesen Formen gemeinsam ist: Das Essen verliert seine Funktion als Energiequelle und sozialer Anker – und wird zur Bühne für Selbstkontrolle, Angst, Scham oder Ohnmacht.
Wissenschaftlich betrachtet: Essstörungen sind neurobiologisch und psychologisch bedingt
Die moderne Forschung zeigt:
Anorexia nervosa ist keine „Willensstörung“, sondern geht mit Veränderungen in dopaminergen Belohnungssystemen und Körperbildwahrnehmung einher (Kaye et al., 2013).
Bei Bulimie und Binge-Eating-Störung finden sich Stressregulationsstörungen (z. B. HPA-Achse) sowie ein gestörtes Sättigungshormonprofil (z. B. Leptin, Ghrelin) (Monteleone et al., 2020).
Emotionale Dysregulation, frühe Bindungserfahrungen und Perfektionismus sind signifikant häufiger (Schmidt & Treasure, 2006).
Was bedeutet das für die Praxis?
Essstörungen sind nicht durch „mehr Disziplin“ heilbar – sondern nur durch ganzheitliche, interdisziplinäre Therapie.
Was Ernährungstherapie wirklich leisten kann
Hinter einem gestörten Essverhalten stehen oft keine ‚Essprobleme‘ – sondern Menschen, die ihre innere Orientierung verloren haben. In meiner Praxis geht es darum, diesen inneren Kompass wiederzufinden: den Zugang zu echtem Hunger, ehrlicher Sättigung und bewusstem Genuss.
In der evidenzbasierten Ernährungstherapie arbeite ich mit:
Individueller Ernährungsanamnese (inkl. psychologischer Screeningverfahren wie EDE-Q oder SCOFF)
Strukturierter Mahlzeitenplanung nach DGEM/VDOE-Empfehlungen
Psychoedukation zum Thema Körperbild, Emotionsregulation und Hunger-Sättigungs-Wahrnehmung
Zusammenarbeit mit Ärzt:innen, Psychotherapeut:innen, Kliniken
Das Ziel ist die Wiederherstellung einer flexiblen, intuitiven und nährenden Beziehung zum Essen.
Therapie mit Haltung statt Bewertung
Die S3-Leitlinie betont klar:
„Ernährungstherapie ist integraler Bestandteil der multimodalen Behandlung von Essstörungen und muss individuell, empathisch und ressourcenorientiert erfolgen.“ (AWMF, 2020)
Ich begleite meine Klient:innen nicht als Kontrolle von außen, sondern als professionelle Wegbegleiterin mit therapeutischem Blick und achtsamer Haltung. Heilung braucht vor allem eines: Sicherheit – nicht weitere Vorgaben.
„Ich habe versagt.“ – Nein. Dein Körper hat eine Lösung gefunden, um dich zu schützen.
Viele Betroffene berichten:
„Ich verliere die Kontrolle.“
„Ich bin schwach.“
„Ich möchte einfach wieder normal essen.“
In solchen Momenten sage ich:
„Das, was du Essstörung nennst, war einmal deine Überlebensstrategie – kein persönliches Scheitern.“
Essstörungen entstehen nicht aus freien Entscheidungen, sondern als Versuch, mit innerem Druck, Schmerz oder Kontrollverlust umzugehen. Sie sind Ausdruck einer Anpassung an belastende Lebensumstände.
Und genau deshalb ist Veränderung möglich.
Nicht durch Selbstoptimierung – sondern durch neue, heilsame Strategien im Umgang mit dir selbst.
Nicht perfekt. Aber Schritt für Schritt – und in Verbindung.
Wenn du dich angesprochen fühlst:
Du brauchst keine Diagnose, um Hilfe zu suchen.
Und es ist nie zu spät, mit dem ersten Schritt zu beginnen.
📍 In meiner Praxis in Lübeck oder online begleite ich dich – diskret, fundiert, menschlich.
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