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Die Psychobiologie hinter emotionalem Essen: Wenn Stress, Hormone & Gehirn entscheiden

Emotionales Essen ist kein Zeichen von Willensschwäche. Es ist eine biologisch verankerte Reaktion auf emotionalen Stress – vermittelt durch unser Nervensystem, unsere Hormone und unser Gehirn.


Viele Klient:innen erleben es so:


„Ich weiß, dass ich nicht hungrig bin – und greife trotzdem zur Schokolade. Es passiert wie automatisch.“

In diesem Beitrag schauen wir uns an, was im Körper passiert, wenn Emotionen unser Essverhalten steuern – und warum bestimmte Nahrungsmittel so beruhigend wirken.




🧠 Der Einfluss von Stress auf den Körper

Unser Körper unterscheidet nicht zwischen einem Streit mit der Kollegin und einer echten Bedrohung. In beiden Fällen wird die Stressreaktion ausgelöst:

  • Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA-Achse)

  • Ausschüttung von Cortisol und Adrenalin

  • Fokus auf kurzfristige Energie – über Zucker, schnell verfügbare Kalorien




Cortisol und Appetit

Cortisol erhöht den Appetit und verstärkt insbesondere die Lust auf:

  • Zucker

  • Fett

  • Salz

    👉 genau jene Lebensmittel, die unser Belohnungssystem aktivieren (Adam & Epel, 2007).




🍫 Warum greifen wir zu Süßem?

Wenn wir essen – vor allem energiereiches, „belohnendes“ Essen – wird Dopamin ausgeschüttet.

Dieses Neurotransmitter-System ist Teil unseres evolutionären Überlebensprogramms. In belastenden Phasen soll es uns stabilisieren.


Dopamin = kurzfristiger Reward

Serotonin = emotionale Balance & Ruhe

👉 Kohlenhydrate können den Serotoninspiegel erhöhen – ein Grund, warum viele bei Traurigkeit zu Pasta oder Schokolade greifen (Wurtman & Wurtman, 1995).




🧬 Evolutionäre Schutzfunktion

Früher war emotionales Essen ein sinnvoller Überlebensmechanismus:

  • In Zeiten von Gefahr → Energie speichern

  • Nach psychischer Belastung → Beruhigung durch Essen



Heute jedoch sind psychosoziale Stressoren (Dauerstress, Überlastung, emotionale Einsamkeit) allgegenwärtig – während das Essen ständig verfügbar ist.


Resultat: Unser Körper reagiert evolutionär sinnvoll – aber im falschen Kontext.


Achtsam im Moment zu bleiben kann helfen, bewusste Ess-Entscheidungen zu treffen.
Achtsam im Moment zu bleiben kann helfen, bewusste Ess-Entscheidungen zu treffen.


📊 Was die Forschung zeigt

Aktuelle Studien vertiefen unser Verständnis, wie komplex die Zusammenhänge zwischen Stress, Hormonen und emotionalem Essen sind:


Neueste Forschungsergebnisse identifizieren erstmals molekulare Signalwege wie das Molekül Proenkephalin, das im Gehirn stressbedingtes Überessen fördert (Virginia Tech, 2023). Tagesaktuelle Stresslevel und Cortisolspiegel korrelieren eng mit emotionalem Essverhalten, insbesondere bei jungen Menschen und Frauen.

So zeigen Studien, dass akute Stressreaktionen das Verlangen nach energiereichen, „belohnenden“ Lebensmitteln deutlich verstärken (Jung et al., 2024; Smith et al., 2023).


Neurowissenschaftliche Untersuchungen mittels bildgebender Verfahren belegen zudem, dass Menschen mit emotionalem Essverhalten unter Stress eine veränderte Aktivität in Belohnungszentren des Gehirns aufweisen – das Essen dient hier als Kompensation für eine verminderte neuronale Belohnung (Lee et al., 2023).


Darüber hinaus bestätigen neuere Studien geschlechtsspezifische Unterschiede:

Frauen reagieren häufig sensibler auf Stress und zeigen andere hormonelle Muster, die das emotionale Essen beeinflussen können (Müller & Weber, 2023).

Diese aktuellen Erkenntnisse untermauern, dass emotionales Essen kein einfacher Willensakt ist, sondern tief in neurobiologischen und hormonellen Prozessen verwurzelt – was eine einfühlsame, ganzheitliche Herangehensweise in der Therapie besonders wichtig macht.



🔁 Kreislauf aus Emotion – Essen – Schuld

Viele geraten in einen biochemischen und emotionalen Teufelskreis:


  1. Emotion → Stress → Cortisol steigt

  2. Appetit auf Süßes, Essen als Beruhigung

  3. Kurzfristige Linderung, dann Scham oder Schuld

  4. Erneuter emotionaler Stress → neuer Impuls zu essen



📌 Dieser Kreislauf lässt sich nicht mit Disziplin durchbrechen, sondern nur mit Verständnis, Achtsamkeit und gezielter Regulation.



Was kannst du tun?

  1. Stressoren erkennen und ernst nehmen


  • Welche Situationen lösen emotionalen Stress aus?

  • Wie gehst du aktuell damit um?



  1. Regulation ohne Essen lernen (langfristig!)


  • Atemübungen

  • Bewegung (Spazierengehen, Yoga)

  • Musik, Gespräch, Journaling



  1. Bewusstes Essen statt „automatischem Greifen“

Stelle dir beim Impuls zu essen die Frage:

  • 👉 „Habe ich Magen-Hunger oder was brauche ich gerade wirklich – Nahrung oder Nähe, Halt, Ruhe?“




💬 Ausblick auf Teil 3

In Teil 3 gehen wir den emotionalen Auslösern auf den Grund:

👉 Wie Frust, Einsamkeit oder Langeweile mit deinem Essverhalten zusammenhängen – und wie du sie erkennen lernst.




🤝 Du möchtest dein Verhalten verstehen – nicht bekämpfen?


Wenn du dich in diesen Zeilen wiedererkennst, bist du damit nicht allein. In meiner Ernährungstherapie arbeiten wir gemeinsam an einem besseren Verständnis deiner Bedürfnisse – empathisch, individuell und fundiert.



 
 
 

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