Der größte Ernährungsmythos, der uns allen Energie raubt
- Ebba Wagner

- 8. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Warum einfach nur "weniger essen" uns krank macht.
Vielleicht kennst du den Gedanken: "Wenn ich weniger esse, nehme ich schneller ab und tue meinem Körper Gutes." Dieser Satz ist so tief in uns verankert, dass er fast wie eine Wahrheit klingt. Doch die Realität ist:
Dauerhaft zu wenig zu essen, raubt dir Energie, blockiert deine Gesundheit und macht dich langfristig eher krank als gesund.
Der Mythos im Alltag
VIele meiner Patient:innen starten mit Diäten, die auf strenger Kalorienreduktion beruhen. "Ich esse jetzt nur noch 1200 Kalorien am Tag." - ein Satz, den ich leider immer wieder höre.
Anfangs funktioniert das oft: die Waage zeigt weniger, das Gefühl von "Disziplin" gibt Sicherheit. Doch schon nach wenigen Wochen kippt alles:
der Heißhunger meldet sich, meistens abends
die Leistungsfähigkeit im Alltag sinkt.
die Stimmung schwankt, der Schlaf wird schlechter.
und irgendwann kehrt das Gewicht zurück - manchmal sogar mehr als vorher.
Das ist kein persönliches Versagen - sondern die ganz normale Reaktion deines Körpers.
Was ist deinem Körper passiert, wenn du zu wenig isst
Der menschliche Körper ist nicht auf "Kalorien zählen" programmiert - sondern auf das Überleben. Wenn wir dauerhaft zu wenig Energie zuführen, reagiert er mit Schutzmechanismen:
Der Stoffwechsel fährt runter
Dein Körper spart Energie, indem er weniger Kalorien im Ruhezustand verbrennt. Das heißt: selbst wenn du nichts tust, verbrauchst du weniger Energie.
Die Muskelmasse wird abgebaut
Weil Muskeln viel Energie benötigen, nutzt der Körper sie als "Brennstoffquelle". Weniger Muskeln = noch weniger Grundumsatz.
Hormonelle Veränderungen treten ein
Hunger beeinflusst Hormone wie Leptin (Sättigung), Ghrelin (Hunger) und Cortisol (Stress). Die Folge: mehr Hunger, mehr Stress, weniger Sättigungsgefühl.
Das Risiko für Nährstoffdefizite steigt
Weniger Essen bedeutet oft auch: zu wenig Proteine, Vitamine, Mineralstoffe. Müdigkeit, Haarausfall, Infektanfälligkeit können die Folge sein.

Warum Kalorien nicht alles sind
Ja, Kalorien spielen eine Rolle - aber die Qualität der Kalorien ist entscheidend.
Ein Schokoriegel und eine Bowl mit Quinoa, Gemüse und Hähnchen können ähnliche Kalorien haben – doch die Wirkung im Körper ist völlig unterschiedlich.
Der Schokoriegel treibt den Blutzucker in die Höhe, lässt ihn schnell wieder abstürzen → Heißhunger.
Die Bowl liefert Proteine, Ballaststoffe und gesunde Fette → langanhaltende Sättigung, Energie, Versorgung mit Nährstoffen.
Der neue Blick: Essen als Energiequelle
Statt zu fragen: „Wie wenig darf ich essen?“, ist die bessere Frage: „Wie kann ich meinen Körper so nähren, dass er Energie hat, Muskeln behält und gesund bleibt?“
3 Grundprinzipien für mehr Energie statt Mangel:
Genug Proteine essen
eine minimale Proteinzufuhr von 1,0 g/kg Körpergewicht (im Normalgewicht) sollte angestrebt werden, am besten individuell und bedarfsgerecht mit professioneller Unterstützung angepasst
Beispiele: Hülsenfrüchte, Tempeh, Skyr, Eier und auch mal Fisch oder mageres Fleisch
Komplexe Kohlenhydrate nutzen
Kartoffeln, Quinoa, Hafer, Hülsenfrüchte, Gemüse → stabiler Blutzucker, weniger Heißhunger.
Gesunde Fette einbauen
besonders reich an ungesättigten Fettsäuren sind Nüsse, Olivenöl, Avocado, Leinsamen → wichtig für Hormone, Nerven, Sättigung.

Praxisbeispiel: Aus dem Leben einer Klientin
Eine Patientin kam mit der Aussage: „Ich esse nur 1000 kcal am Tag, aber ich nehme nicht mehr ab.“
Wir haben ihre Ernährung gemeinsam angepasst: mehr Proteine, gesunde Fette, komplexe Kohlenhydrate – und ja, auch mehr Kalorien.
Das Ergebnis: Nach wenigen Wochen hatte sie wieder mehr Energie, ihr Schlaf verbesserte sich, und der Körper begann langsam, Gewicht zu regulieren.
Das zeigt: weniger ist nicht besser. Besser ist besser.
Fazit: Zeit, den Mythos loszulassen
Die Idee „weniger essen = gesünder leben“ klingt simpel, aber sie macht uns müde, frustriert und krank. Dein Körper braucht nicht Mangel, sondern Balance und Nährstoffe.
Wenn du das Gefühl hast, dass dir alte Diätgedanken noch im Weg stehen:
In der Ernährungstherapie begleite ich dich dabei, Essen wieder als Quelle von Energie und Lebensfreude zu erleben – und nicht als ständigen Kampf.
Ebba Wagner, B. Sc. Med. Ernährungswissenschaftlerin & Ernährungsberaterin DGE



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